Bundestagswahlen am 24. September – aber Spammer haben bereits abgestimmt

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Überblick

2016 und 2017 korrelierten die Ergebnisse von den drei großen nationalen Wahlen in den Vereinigten Staaten, Frankreich und Großbritannien mit dem Volumen der Spam-Mails, die sich auf die siegreichen Kandidaten beziehen. Bei jeder dieser drei Wahlen tauchte der siegreiche Kandidat oder die siegreiche Partei in größeren Mengen von Spam-Mails mit Bezug auf diesen Kandidaten oder diese Partei auf als jeweils ihre Gegner.

Nachdem nun am 24. September hier in Deutschland die Bundestagswahlen stattfinden, untersuchten die Forscher von Proofpoint die Spam-Volumina in ähnlicher Weise – mit Themen rund um die deutschen Parteien und deren Schlüsselfiguren. Wie bei den vorangegangenen Wahlen haben wir auch in den letzten Monaten des Wahlzyklus die Entwicklung des Spam-Aufkommens mit den anhaltenden Meinungsumfragen und den Ereignissen verglichen, die in den letzten Monaten des Wahlkampfes veröffentlicht wurden.

Wenn wir Spam-Volumen als voraussagbar einschätzen, wie dies bei den letzten Wahlen in den USA, Frankreich und Großbritannien der Fall war, dann deuten die jüngsten Trends darauf hin, dass neue Koalitionsmöglichkeiten in Deutschland nach dem 24. September wahrscheinlich nicht entstehen werden. Vielmehr lässt sich aufgrund des Volumens der einzelnen Themen der Spam-Mails darauf schließen, dass die große Koalition fortgeführt wird, obwohl sie offenbar von keinem ihrer Mitglieder oder der Öffentlichkeit favorisiert wird.

Hintergrund

Obwohl hierzulande die politische Landschaft weitaus vielfältiger ist als in den USA, prägt die CDU/CSU, angeführt von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die bestehende Regierungskoalition unter Beteiligung der SPD, angeführt von Martin Schulz. Weitere kleinere Parteien sind die "Alternative für Deutschland" (AFD),"Die Linke" (LINKE),"Bündnis 90/Die Grünen" (GRÜN) und die "Freie Demokratische Partei" (FDP).

Analyse

Wir haben spezielle Filter entwickelt, um Spam und seröse E-Mails, die mit jeder dieser Parteien und/oder den jeweiligen Kandidaten in inhaltlicher Verbindung stehen, zu erfassen. Die Ergebnisse sind gruppiert nach Parteien. Es sei darauf hingewiesen, dass Spam nur mit der CDU (Christdemokratische Union, angeführt von Angela Merkel), nur mit der CSU (Christlich-Soziale Union, die nur in Bayern aktiv ist) und nur mit den Suchbegriffen "Angela Merkel" und "Merkel" in Verbindung gebracht wird, da diese auf nationaler Ebene funktional gleichwertig sind. Die Gesamtzahl der Spam-Nachrichten nach Parteien, einschließlich einer Aufschlüsselung der Beiträge zu CSU-, CDU- und CSU/CDU-bezogenem Spam, ist in Abbildung 1 dargestellt.

Abbildung 1Abbildung 1: Gesamtvolumen der Spam-Nachrichten – aufgeschlüsselt nach Parteien

Einzelne Parteien und Kandidaten versenden während des Wahlkampfes häufig „normale“ E-Mails in großen Stückzahlen. Abbildung 1 zeigt die Kombination so genannter „Spam and Ham-E-Mails“. Das sind sowohl Spam-Mails als auch von der Partei offiziell versandte Massen-E-Mails. Berücksichtigt wurden dabei E-Mails, die mit den Parteien und ihren Kandidaten auf der Grundlage des Inhalts von Betreffzeilen in Verbindung gebracht werden konnten. Wie bei anderen Wahlen, die wir untersucht haben, liefern diese kombinierten Mengen einen Hinweis auf die Gesamtmenge an E-Mails für jede Partei und jeden Kandidaten. Die Gesamtmenge an E-Mails korreliert mit der Zahl an Spam-Mails, doch ist diese Gesamtmenge deutlich höher als die der Spam-Mails. Abbildung 2Abbildung 2: Gesamtverkehrsaufkommen mit Schlagwörtern zu den politischen Parteien in Deutschland

Abbildung 3 zeigt die Spam-Volumina nur mit Parteien und Kandidaten, deren Name in der Betreffzeile aufgeführt wurde. Dabei ist zu beachten, dass CDU/CSU und SPD in den beiden Abbildungen 2 und 3 mit deutlich höheren Nachrichtenvolumina als andere Parteien gemessen wurden. Während herkömmliche E-Mails sowohl früher in der Wahlperiode als auch in den letzten Wochen vor der Wahl jeweils die gezeigten Spitzenwerten verzeichneten, resultierten Topwerte im Juli und August vor allem aus Spam.

Diese Trends spiegeln unsere Beobachtungen bei den Wahlen in den USA und Frankreich wider, wo die Spam-Aktivitäten zwei bis drei Monate vor der Wahl ihren Höhepunkt erreichten. Die Spam-Volumen kehrten dann wieder in frühere Muster mit gelegentlichen Spitzenwerten zurück. Diese Topwerte gehen oft mit großen Wahlereignissen oder Nachrichten einher, die Spam-Akteure nutzen, um effektivere und schnellere Köder zu entwickeln.

Abbildung 3Abbildung 3: Spam-Nachrichtenvolumen mit Schlagwörtern zu politischen Parteien in Deutschland mit Stichtagsdaten, die in der Nähe von Spam-Spitzen genannt werden

Die Analyse der Themen der Spam-Nachrichten mit jeweils Bezug zu den Kandidaten und Parteien zeigt typischerweise Spitzenwerte in der Spam-Menge, die mit wichtigen oder berichtenswerten Ereignissen vor den Wahlen in Verbindung gebracht werden. Das sind beispielsweise:

  • 3. Juli: Angela Merkel kündigt Wahlprogramm der CDU an
  • 7. Juli: Offizielle Vorstellung der Parteien, die sich bei der Bundestagswahl zur Wahl stellen wollen (ein kleiner Anstieg am Vortag)
  • 17. Juli: Offizielle Kandidaten bestätigt
  • 24. Juli: Angela Merkel verabschiedet sich in die Sommerferien
  • 1. August: SPD enthüllt Wahlkampfstrategie
  • 13. August: Offizieller Kampagnenstart
  • 23. August: Türkischer Präsident entfacht Kontroverse mit Wahlkampfaussagen zur Bundestagswahl

Die ab Frühsommer, kurz vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, in Deutschland durchgeführten Meinungsumfragen zeigen für die Kandidaten und ihre Parteien relativ konstante Werte (Abbildung 4). Die Positionen in den Umfragen spiegeln sich weitgehend wider durch ein konstantes wöchentliches Spamaufkommen und einen stetigen relativen Anteil der wahlbedingten Spam-Nachrichten pro Partei (Abbildung 3).

Abbildung 4Abbildung 4: Tendenz der Durchschnittswerte der Meinungsumfragen  seit Mai 2017. Quelle: The Economist

Unsere Analysen der vorangegangenen Wahlen haben einen Zusammenhang zwischen dem Umfang der Spam-Nachrichten zum Thema und der Stärke der Parteien festgestellt. In diesem Zusammenhang deutet – trotz umfangreicher Spekulationen von Experten und Politikern über die Zusammensetzung der kommenden Bundesregierung – die deutliche Zunahme des Spamaufkommens bei Union und SPD Ende Juli und Anfang August darauf hin, dass die Spammer bereits vor dem offiziellen Wahlkampf zu dem Schluss gekommen waren, dass die Wahl zur Fortsetzung der großen Koalition führen wird. Die Popularität von Bundeskanzlerin Merkel, Union und SPD hat zwar etwas nachgelassen, doch der Umfang der Spam-Nachrichten scheint zu bestätigen, dass keine andere Partei deren Bekanntheit ebenbürtig ist. So werden die Union und die SPD am Ende gezwungen sein, ihre Partnerschaft fortzusetzen, für die sie sich weder mit Begeisterung noch mit Enthusiasmus einsetzen.

Darüber hinaus stützen die Präferenzen für Spam-Mails die durchschnittlichen Umfragewerte der anderen Parteien, die das Fehlen populistischer Gründe widerspiegeln, die die Wahlergebnisse in den USA und Großbritannien nach sich zogen.

Die Spam-Nachrichten, die mit der Wahl verbunden sind, weisen eine Vielzahl von Themen, Ködern, Stilen und Zielen auf. Abbildung 5 zeigt einen typisch englischsprachigen Köder mit Links zu einer News-Aggregator-Site. Die Site selbst setzt auf Partner-Marketing und Werbung , um Umsatz zu generieren, so dass die Art von Brandstiftung via Clickbait besonders attraktiv für Spammer ist. Bei Clickbait handelt es sich um den Versuch, höhere Zugriffszahlen und damit unter anderem mehr Werbeeinnahmen durch Internetwerbung oder eine größere Markenbekanntheit der Zielseite bzw. des Autors zu erzielen. Während viele solcher Spam-Nachrichten Links enthalten, die nicht mit der Betreffzeile in Verbindung stehen, verweist dieses Beispiel direkt auf die in der Betreffzeile angezeigte Website.

Figure 5

Abbildung 5: Beispiel-Spam, der zu einer englischsprachigen News-Site mit Werbung führt

Kein Wunder, dass ein Großteil der Spam-Nachrichten in deutscher Sprache verfasst ist, mit Links zu deutschsprachigen Websites. Wie bei den Wahlen in den USA, Großbritannien und Frankreich hat die deutsche Wahl jedoch auch große internationale Aufmerksamkeit erregt, da sie Spammern weltweit Material zur Erhöhung der Click-through-Raten liefert.

Schlussfolgerung

Es ist bekannt, dass Versender von Spam-Mails starke Marken (wie internationale Unternehmen, Persönlichkeiten, Parteien und andere) mit Trendthemen und Ereignissen wie den Olympischen Spielen, der Fußballweltmeisterschaft und den Präsidentschaftswahlen kombinieren, um Spam-E-Mails zu erstellen. Damit wollen die Spammer die Menschen überzeugen, diese Spam-Mails zu öffnen und über Links auf Affiliate-Marketing-Seiten, Phishing-Sites und oder mit Schadsoftware infizierte Websites zu klicken.

Die Markenstärke in diesem Sinne umfasst dabei sowohl positive als auch negative Assoziationen. Zudem gilt: Je stärker die Marke, desto nützlicher ist sie als Lockvogel für Spammer.  Während es noch abzuwarten bleibt, wie viel Einfluss – wenn überhaupt –  Spam-E-Mails auf den Ausgang einer Wahl haben können, haben die jüngsten Wahlen in den Vereinigten Staaten, Frankreich und Großbritannien wiederholt gezeigt, dass Spam-Volumina vorhersagbar sind und dass sie als Barometer mindestens genauso effektiv wie Meinungsumfragen bei großen Wahlen genutzt werden können. Bei der bevorstehenden Bundestagswahl scheint es so, als hätten die Spam-Akteure über die Zahl der von Ihnen versandten Spam-Mails bereits ihre Stimme für den Erhalt der großen Koalition abgegeben.